Sehr geehrte Frau Kollegin,
sehr geehrter Herr Kollege!

Wir freuen uns, Ihnen unsere ersten Test&Treat-News zusenden zu dürfen und danken für Ihr Interesse. In jedem Newsletter wollen wir ein aktuelles Thema aus der infektiösen Venerodermatologie behandeln und praxisrelevant aufbereiten.

Als Thema der ersten Test&Treat-News haben wir die Gonorrhoe gewählt. Nach einem Überblick über die aktuelle epidemiologische Situation stellen wir Ihnen die im Oktober 2021 neu überarbeiteten, für Österreich empfohlenen Therapieleitlinien vor. Im Anschluss daran finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen über die Diagnose und das therapeutische Management der Gonorrhoe.

 

Aktuelle Situation der Gonorrhoe

Die Gonorrhoe stellt neben der Syphilis, dem Ulcus molle und dem Lymphogranuloma venereum (LGV) die häufigste klassische venerische Erkrankung dar. Die Inzidenz der Gonorrhoe hat seit der Jahrtausendwende unter anderem auch mit der Einführung von HAART für die Behandlung einer HIV-Infektion weltweit zugenommen. Die jährlich gemeldeten Infektionszahlen des Gesundheitsministeriums und der AGES bestätigen dies auch für Österreich.

Allerdings wurde dieser Trend im Jahr 2020 durch das Auftreten der Pandemie und die sozialen Restriktionen während des wiederholt eingeführten Lockdowns gestoppt. Die an die Gesundheitsinstitutionen gemeldeten Infektionszahlen haben in ganz Europa abgenommen. Dies gilt auch für Österreich. Unbekannt ist allerdings eine beträchtliche Dunkelziffer an unerkannten, nicht diagnostizierten oder nicht gemeldeten Infektionen mit Neisseria gonorrhoeae besonders für die Zeit der Lockdowns im Jahre 2020.

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Abb.: Österreichweite Fallzahlen von Gonorrhoe 1990-2020, Daten des Gesundheitsministeriums und der AGES

 

Therapieleitlinien 2021

Gonokokken besitzen die Fähigkeit, Resistenzen in rascher Abfolge gegen empfohlene Antibiotika zu entwickeln. Ein Kulturnachweis mit anschließender Antibiotika-resistenztestung ist daher unumgänglich um eine geänderte Resistenzsituation der nachgewiesenen Stämme von N. gonorrhoeae auf empfohlene Antibiotika festzustellen und eine notwendige Änderung der Therapieempfehlungen vorzunehmen.

Die Therapieleitlinien der Österreichischen Gesellschaft für STD und dermatologische Mikrobiologie (ÖGSTD) wurden im Oktober 2021 für die Gonorrhoe entsprechend den internationalen Empfehlungen neu überarbeitet. Sie orientieren sich an den nationalen Gegebenheiten sowie an Leitlinien der Centers for Disease Control (CDC), der Europäischen STI Gesellschaft (IUSTI Europe) und der Englischen STD-Gesellschaft (BASHH). Cephalosporine sind derzeit die weltweit empfohlenen Antibiotika, jedoch divergieren die Leitlinien hinsichtlich Einzel – und Kombinationstherapie und deren Dosierungen.

Die wichtigsten praxisrelevanten Vorgaben der Therapieleitlinien der Gonorrhoe sind untenstehend aufgezählt.
Auf der Homepage des Pilzambulatoriums und der Österreichischen Gesellschaft für STD und dermatologische Mikrobiologie können Sie die gesamten "Therapieleitlinien Gonorrhoe (Update 2021)" im Detail nachlesen.

 

• Unkomplizierte genitoanale Infektion beim Erwachsenen

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(Infektion von Cervix, Urethra, Rectum)

Empfohlene Einzeltherapie:
Ceftriaxon 1g i.m oder i.v. ED

Alternative Therapie:
Cefixim 800mg oral ED (CDC)
Gentamycin 240mg i.m.ED plus Azithromycin 2g oral ED (IUSTI Europe, CDC, BASHH)
Cefixim 400mg oral ED plus Azithromycin 2g oral ED (IUSTI Europe, BASHH)
Azithromycin 2g oral ED (Alternativtherapie bei Cephalosporinallergie, BASHH)

 

• Oropharyngeale Gonorrhoe

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Empfohlene Einzeltherapie:
Ceftriaxon 1g i.m. oder i.v. ED

Bemerkung:
Aufgrund der Pharmakokinetik weisen zahlreiche Antibiotika eine geringere Effizienz (<90%) bei der Therapie der pharyngealen Gonorrhoe auf, die Möglichkeit einer Resistenzentwicklung ist wegen der geringen Symptomatik höher. Daher wird übereinstimmend nur die Monotherapie mit Ceftriaxon empfohlen.
Ausschließlich bei Ceftriaxonallergie und nach erfolgter Resistenztestung von Azithromycin, Chinolonen und Gentamycin werden ergänzende nicht einheitlich empfohlene therapeutische Alternativen gelistet:
Gentamycin 240mg i.m.ED plus Azithromycin 2g oral ED
Ciprofloxacin 500mg oral ED KI: Gravidität, Warnung der FDA, EMA!
Azithromycin 2g oral ED

 

• Genitoanale Infektion in der Gravidität und Stillzeit

Empfohlene Einzelherapie:
Ceftriaxon 1g i.m.oder i.v. ED

Alternative Therapie:
Ceftriaxon 500mg i.m. oder i.v. ED (CDC)
Cefixim 800mg oral ED
Azithromycin 2g oral ED (BASHH)
Gentamycin 240mg i.m.ED plus Azithromycin 2g oral ED (IUSTI Europe, cave neonataler Geburtsdefekt)

Bemerkung:
- Quinolone und Tetrazykline sind in der Gravidität kontraindiziert!
- Azithromycingabe nur wenn keine andere Therapie möglich ist

 

Sie fragen – wir antworten

Kann die Gonorrhoe bereits anhand von klinischen Symptomen erkannt werden?

Die Infektion verläuft bei 10% der Männer und 50-80% der Frauen symptomlos, die pharyngeale und rektale Gonorrhoe ist in 80- 90% asymptomatisch.

Wie groß ist die Übertragungsgefahr auf Partner oder Partnerin?

Übertragungsrisiko auf die Frau nach einem Sexualkontakt mit infiziertem Partner mit gonorrhoischer Urethritis: 50-90%
Übertragungsrisiko auf den Mann nach einem vaginalen Sexualkontakt mit infizierter Partnerin: 30%

Welche diagnostischen Möglichkeiten werden für den Nachweis einer Gonorrhoe empfohlen und wie verlässlich sind sie?

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• Methylenblau- und Gramfärbung:
Die Sensitivität der Färbung des Urethralabstriches liegt bei symptomatischen Männern bei 90-95%, bei asymptomatischen bei 50-75%; bei Frauen erreicht die Färbung des Endocervikalabstriches eine Sensitivität von maximal 50%.

• Kulturnachweis:
Spezifität 100%, Vorteil einer Resistenzbestimmung, die zumindest von regionalen Zentren durchgeführt und beobachtet werden soll. Nachweis von N. meningitidis als pathogener Erreger möglich.
Bei längerer Transportzeit kann es zu Verlusten von anzüchtbaren Stämmen und daher zu einer reduzierten Sensitivität kommen. Die Abnahme im Labor ist daher für den Kulturnachweis optimal. Mit Sensitivitätsverlust ist auch bei pharyngealem und rektalem Abstrichmaterial zu rechnen.

• DNA/RNA-Amplifizierungsverfahren (NAAT):
weisen die höchste Sensitivität für den Gonokokkennachweis auf, für alle Abstriche und Harnproben geeignet und für Proben mit längerem Transport empfehlenswert.
Vorteile: Kombination mit Chlamydiennachweis möglich, Nachweis aus nichtinvasiven Proben (Harn, Vulvovaginalabstriche)
Nachteile: fehlende Resistenzbestimmung, eventuelles Spezifitätsproblem

• Gonokokkennachweis aus forensischen Gründen:
Der Kulturnachweis ist aus forensischen Gründen bei Kindern oder bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch vor Beginn einer antibiotischen Behandlung unbedingt empfehlenswert. Zusätzlich sollte ein molekularbiologischer Nachweis erfolgen.

Benötigt man eine Therapiekontrolle? Wann soll diese erfolgen?

Die ÖGSTD empfiehlt 3-7 Tage nach der Therapie eine Kontrolluntersuchung mittels Kultur und frühestens 2-3 Wochen mittels Amplifizierungsverfahren.
Eine Therapiekontrolle sollte stets nach einer Cephalosporin-Alternativtherapie mittels Kultur frühestens 72 Stunden nach Therapieende erfolgen.

Welche Empfehlung soll hinsichtlich der PartnerIinnen beachtet werden?

Generell gilt die Empfehlung einer Sexualabstinenz für 7 Tage nach Therapieende.
SexualpartnerInnen der letzten 60 Tage sollen untersucht und behandelt und nach weiteren Kontaktpersonen befragt werden (contact tracing).
Zur Ausforschung von Kontaktpersonen bieten Gesundheitsämter Hilfestellungen an.

Muss die Infektion an das Gesundheitsamt oder der AGES gemeldet werden? Welche Daten sind dafür notwendig?

Es muss die monatliche Anzahl von Infektionen und das Geschlecht der infizierten Person, nicht jedoch der Name, der AGES gemeldet werden. Die Pilzambulatorien übernehmen gerne die Meldung an die AGES!

Sollen noch weitere STD Untersuchungen durchgeführt werden?

  • Syphilisserologie (TPPA) obligatorisch, neuerliche Testung 2 Monate nach erfolgter Therapie der Gonorrhoe ist dringend empfehlenswert
  • HIV-Serologie
  • Infolge der hohen Koinfektion mit C. trachomatis und M. genitalium ist eine Abklärung unbedingt zu empfehlen.
  • Abklärung weiterer STDs je nach klinischer Indikation

 

Bei weiteren Fragen oder Anregungen lade ich Sie zu einer Kontaktaufnahme unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! ein.

Mit kollegialen Grüßen

Univ.-Prof. Dr. Angelika Stary