Sehr geehrte Frau Kollegin,
sehr geehrter Herr Kollege!
Wir freuen uns, Ihnen unseren dritten Newsletter Test&Treat News zusenden zu dürfen.
Er soll Ihnen einen Überblick über die Bedeutung von Mycoplasma genitalium im Genitalbereich vermitteln und Therapiemöglichkeiten nach der spezifischen Diagnose mittels hochsensitiver PCR-Verfahren aufzeigen. Diese Untersuchung wird in den Pilzambulatorien bei entsprechender Indikation als Kassenleistung angeboten..
Die Bedeutung von Mycoplasma genitalium im Genitalbereich
Mycoplasma genitalium (M. genitalium), der kleinste freilebende Mikroorganismus ohne Zellwand, wurde erstmalig 1980 von David Taylor Robinson aus Urethralabstrichen von Männern mit der klinischen Diagnose einer nichtgonorrhoischen Urethritis (NGU) im Elektronenmikroskop nachgewiesen (Abb1).
Abb. 1: Elekronenmikroskopische Darstellung von M. genitalium mit der typischen tennisschlägerartigen Form. D. Taylor-Robinson, Lancet, 981
Klinische Relevanz
Erst die Einführung einer molekularbiologischen Nachweismethode ermöglichte es, die pathologische Relevanz von M. genitalium im Humanbereich zu erforschen. Seit der Erstbeschreibung dieser Bakterien, die gemeinsam mit M. pneumoniae, M. hominis und U. urealyticum in die Gruppe der Mollicuten gehören, wurden zahlreiche Untersuchungen bei Personen mit urogenitalen Beschwerden durchgeführt. Ihre Bedeutung in der Humanmedizin konnte in europäischen, australischen und amerikanischen Studien belegt und untermauert werden. M. genitalium wird sexuell übertragen und kann bei Männern eine Urethritis (in 15-25%) verursachen, assoziiert mit mucopurulentem Ausfluss und Dysurie. Es ist somit unbestritten, dass M. genitalium eine häufige Ursache einer "non-gonococcal non-chlamydial Urethritis" beim Mann darstellt (Abb. 2). Aber auch im weiblichen Genitaltrakt konnte der Erreger sowohl bei der Cervicitis als auch bei der Endometritis und bei aufsteigenden Entzündungen im oberen Genitalbereich nachgewiesen werden. Eine Assoziation mit Infektionen des unteren und oberen Genitalbereichs und der pelvic inflammatory disease (PID) gilt als gegeben. Es besteht der Verdacht, dass der Erreger für Fälle von Infertilität durch Tubenverschluss verantwortlich ist. Eine HIV-Infektion tritt bei Vorhandensein von M. genitalium durch die Entzündungssymptomatik 2,5mal häufiger auf. Ihre Rolle bei der Entstehung von Prostata- und Ovarialkarzinomen sowie Lymphomen ist Gegenstand weiterer Untersuchungen. Daneben kommt eine asymptomatische Besiedelung des Urogenitalbereichs mit M. genitalium ebenfalls vor.
Abb. 2: Ätiologie der nichtgonorrhoischen Urethritis
Abb. 3: Assoziation von Mycoplasma genitalium mit Balanoposthitis bei Männern mit NGU. Horner PJ et al. 2011
Prävalenz
Größere Prävalenz-Studien sind erst seit der Entwicklung einer kommerziellen PCR-Diagnostik möglich. Eine norwegische Studie mit großer Fallzahl ermittelte eine Prävalenz bei männlichen Patienten einer STD-Klinik von 4,2%, statistisch signifikant assoziiert mit einer NGU sowie bei Frauen mit einer Cervicitis und PID. Die Nachweisrate bei Personen einer STD-Klinik schwankt europaweit zwischen 7-19%.
Diagnose
Die Kultivierung von M. genitalium auf Agarplatten ist kompliziert, zeitaufwändig (Dauer bis zu 6 Wochen) und daher nicht praxisrelevant. Standardnachweisverfahren für die Routinediagnostik einer Infektion mit M. genitalium sind sensitive DNA- oder RNA-Amplifizierungsassays (PCR). Sie ermöglichen eine rasche Diagnose sowohl aus dem Urethral-, Zervikal-, oder Vaginalabstrich als auch aus dem Harnsediment.
Eine Urethritis ist definiert durch den mikroskopischen Nachweis im Abstrichpräparat von fünf oder mehr Leukozyten pro Gesichtsfeld bei 1000facher Vergrößerung. Ist trotz Zeichen und Symptomen einer Urethritis kein Erregernachweis möglich, ist M. genitalium als Ursache der NGU in bis zu 30%. in Betracht zu ziehen. Auch Kontaktpersonen von Infizierten sollten untersucht werden.
Therapie
Nach der Diagnose einer M. genitalium-Infektion stellt sich die Frage nach der optimalen Behandlung. Die ÖGSTD (Österreichische Gesellschaft für STD und dermatologische Mikrobiologie www.oegstd.at) hat die für Österreich empfohlenen Therapieleitlinien für M. genitalium auf der Basis der IUSTI-Europe- und CDC-guidelines verfasst. Sie sind auch auf der Website des Pilzambulatoriums unter Therapieleitlinien abrufbar. Derzeit wird in Österreich die Gabe von 500mg Azithromycin als Einzeldosis, gefolgt von 250mg pro Tag für vier Tage zur Behandlung einer Infektion mit M. genitalium in zahlreichen Therapieleitlinien empfohlen. Bei Therapieversagen oder bei Azithromycin - Vorbehandlung wird Moxifloxacin 400 mg pro Tag für 10-14 Tage empfohlen.
Wird ein spezifischer Nachweis von M. genitalium im Rahmen des diagnostischen Prozedere verabsäumt, besteht das Risiko, durch ungenügende und ungezielte Antibiotikadosierung eine Mutation (Punktmutationen in der 23S rRNA) zu induzieren. Dies birgt die Gefahr einer Makrolid Resistenzentwicklung.
In den CDC Richtlinien von 2021 wurde daher die Therapieempfehlung revidiert und eine Doxycyclingabe vor einer Azithromycin- oder Moxifloxacin-Therapie empfohlen:
Doxycyclin 100 mg oral 2xtgl/ 7 Tage plus anschließend Azithromycin 1 g oral 1. Tag gefolgt von 500 mg oral /1xtäglich durch 3 Tage
oder
Doxycyclin 100 mg oral 2xtgl/ 7 Tage plus anschließend Moxifloxacin 400 mg oral 7 Tage (bei nachgewiesener oder unbekannter Marolidresistenz)
Literatur
A newly discovered mycoplasma in the human urogenital tract
J G Tully, D Taylor-Robinson, R M Cole, Lancet. 1981.8233:1288-91.
The genital mycoplasmas (first of two parts)
D Taylor-Robinson, W M McCormack N Engl J Med . 1980.302:1003-10.
European guideline on the management of Mycoplasma genitalium infections
JS Jensen et al. EADV 2022.
Sexually Transmitted Infections Treatment Guidelines, 2021
MMWR. Juli 2021.
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Lange Nacht der Pilzambulatorien
Am Donnerstag, 6. Oktober 2022, ist im Lusthaus des Wiener Prater um 19 Uhr ein Veranstaltungsabend der Pilzambulatorien unter dem Titel "Lange Nacht der Pilzambulatorien" geplant.
Bitte notieren Sie diesen Termin. Die Einladung mit den genauen Daten und einem interessanten Vortragsprogramm mit musikalischer Umrahmung folgt zeitnah.
Bei weiteren Fragen oder Anregungen lade ich Sie zu einer Kontaktaufnahme unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! ein.
Mit kollegialen Grüßen
Univ.-Prof. Dr. Angelika Stary