Let's talk about sex
Tag der Venerologie der ÖGSTD am 2. März 2024
Sehr geehrte Frau Kollegin,
sehr geehrter Herr Kollege!
Am 2. März 2024 fand im Billrothhaus der Gesellschaft der Ärzte in Wien der Tag der Venerologie unter dem Titel „Let's talk about sex“ statt.
Bei der sehr erfolgreichen und gut besuchten Veranstaltung wurden Themen der STD Diagnostik, der Vakzineentwicklung, der aktuellen Empfehlungen der HPV-Impfung, der HIV-Situation in Österreich, der Problematik von Resistenzentwicklungen bis zu aktuellen Therapieempfehlungen einzelner STDs in exzellenten Vorträgen von kompetenten Vortragenden präsentiert und diskutiert.
Für die Test&Treat News der Pilzambulatorien haben wir von einigen Vorträgen eine Kurzfassung der wichtigsten Inhalte als Take Home Message ihrer Vorträge erhalten und freuen uns, Ihnen diese im Newsletter zuzusenden.
Wir danken den Referenten für die Bereitstellung der Kurzberichte Ihrer Vorträge.
1. Das Ulcus vulvae acutum: eine schwierige Diagnose
Birgit Sadoghi
Dermatologische Universitätsklinik, Graz
Sexuell übertragbare Infektionen (STIs) sind weltweit deutlich im Steigen. Genitale Erosionen und Ulzerationen sind mittlerweile ein häufiger Vorstellungsgrund beim Dermato-Venerologen, wobei die Ätiologien sehr weit gefächert sein können. Es müssen vor allem sexuell übertragbare Erkrankungen wie beispielsweise die primäre Syphilis, Herpes simplex Infektionen oder ein Lymphogranuloma venereum ausgeschlossen werden. Ein selteneres diagnostiziertes Krankheitsbild stellt das sogenannte Ulcus vulvae acutum Lipschütz (UVAL, siehe Abbildung) dar.
Ein UVAL präsentiert sich meist als schmerzhafte vulväre Ulceration von nicht unerheblicher Größe, welches häufig mit verschiedenen bakteriellen oder viralen System-Infektionen in Verbindung gebracht werden kann. Im Rahmen einer systematischen Literaturrecherche und Meta-Analyse konnten wir in Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik in Wien einen diagnostischen und therapeutischen Algorithmus formulieren. Auf Basis der Meta-analyse formulierten wir Haupt- und Nebenkriterien zur schnelleren und besseren Diagnosestellung. Zur Diagnose eines UVAL sollten beide Hauptkriterien und zumindest 2 der 4 Nebenkriterien zutreffen.
Hauptkriterien:
- Akutes Auftreten von ein oder mehr schmerzhaften Ulcera an der Vulva
- Ausschluss infektiöser und nicht-infektiöser Ursachen für genitale Ulcera
Nebenkriterien:
- Lokalisation des Ulcus/ der Ulcera am Vestibulum bzw. Labia minora
- Kein Geschlechtsverkehr bis dato, oder innerhalb der letzten 3 Monate
- Grippe ähnliche Symptome
- Systemische Infektion 2-4 Wochen vor Auftreten des Ulcus
Referenz: Sadoghi B, Stary G, Wolf P, Komericki P. Ulcus vulvae acutum Lipschütz (UVAL): a systematic literature review and a diagnostic and therapeutic algorithm. JEADV 2019; 10.1111/jdv.16161
2. Die Molekularbiologie erweitert den Nachweishorizont von STIs
Dr. Alice Sorgo
Pilzambulatorium Schlösselgasse
Amplifizierungsverfahren (PCR = Polymerase chain reaction) basieren auf der Vervielfältigung und Detektion von Nukleinsäuren (DNA oder RNA) von Keimen und sind wegen ihrer hohen Sensitivität und Spezifität schon lange Goldstandard für den Nachweis vieler STI-Erreger. Durch Automatisierung ist ein hoher Probendurchsatz mit Ergebnissen innerhalb nur weniger Stunden gegeben. Multiplex Assays ermöglichen den Nachweis verschiedener Erreger aus einer einzigen Probe.
Eine Vielzahl von Erregern können mittels Amplifizierungsverfahren im abgenommenen Patientenmaterial (Abstriche von Ulcera, aus Urethra-, Vaginal- und Cervikalsekret, Harn und anderen Abstrichen) nachgewiesen werden, die in den Pilzambulatorien Anwendung finden:
- C. trachomatis (Serotypen D-K, LGV 1-3)
- LGV 1-3
- N. gonorrhoeae, M. genitalium
- HPV (Identifizierung von 28 high-, intermediate- und low-risk Genotypen)
- H. ducreyi
- T. pallidum
- T. vaginalis
- Herpes simplex Viren 1&2
Kulturverfahren liefern weiterhin wertvolle Informationen über die Resistenzsituation von Erregern zur notwendigen Therapiewahl und sind daher eine wichtige zusätzliche Nachweismethode im Rahmen der diagnostischen Verfahren für genitale Kontaktinfektionen.
Weiters bieten Point-of-care-Tests (POCT) wie direkte Färbemethoden (Gram- und Methylenblaufärbung), Dunkelfeld- und Nativuntersuchungen im Mikroskop nach wie vor wichtige und rasche diagnostische Möglichkeiten für die Abklärung einer Infektion bei akuter Symptomatik und werden neben den Amplifizierungs- und Kulturverfahren selbstverständlich in den Pilzambulatorien vor Ort durchgeführt.
3. Es ist nicht alles Pilz was juckt
Claudia Heller-Vitouch
Pilzambulatorium Hietzing
Der Satz "Es ist nicht alles Pilz, was juckt" illustriert die komplexe Differentialdiagnose bei PatientInnen mit kutanen und/oder genitalen Beschwerden. In der Dermato-Venerolgie ist die Unterscheidung zwischen Pilzinfektionen und anderen Hauterkrankungen von entscheidender Bedeutung für eine angemessene Behandlung. Besonders im Kontext sexuell übertragbarer Krankheiten (STDs) kann Juckreiz Symptom für verschiedene Erkrankungen sein, einschließlich Pilzinfektionen wie Candidiasis, aber auch für andere STDs wie Trichomoniasis oder bakterielle Vaginose sowie dermatologische Erkrankungen wie Lichen sclerosus, spongiöse Dermatitis oder Psoriasis inversa. Ein gründliches klinisches Assessment, einschließlich Anamnese, körperlicher Untersuchung und mikrobiologischer Tests ist erforderlich, um eine genaue Diagnose zu stellen. Die Behandlung sollte auf der Identifizierung des zugrunde liegenden Erregers basieren, um eine wirksame Therapie zu gewährleisten und die Ausbreitung von Infektionen zu verhindern. Ein umfassendes Verständnis der verschiedenen Erkrankungen, die Juckreiz verursachen können, ist daher von entscheidender Bedeutung für DermatologInnen, um eine präzise Diagnose und angemessene Behandlung zu ermöglichen.
4. Impfungen bei STIs – was kommt als Nächstes?
Georg Stary
Dermatologische Universitätsklinik, Wien
Impfungen sind im Bereich der STIs von großer Bedeutung, um prophylaktische Maßnahmen effektiv umzusetzen. Die derzeitige Forschung steht bei den unterschiedlichen Pathogenen an verschiedenen Ausgangspositionen. Während gegen gewisse STIs sehr gute Impfungen zugelassen sind (z.B. HBV, HPV), stehen wir bei anderen noch in der klinischen (Gonorrhö, Chlamydien) oder sogar vorklinischen (Syphilis, Mykoplasma genitalium) Erprobung. Gegen Gonokokken gibt es Entwicklungen, die auf eine Kreuzreaktivität von einer Meningokokken B Impfung abzielen. Prospektive randomisierte Studien werden derzeit durchgeführt, um den tatsächlichen Rahmen der Kreuzreaktivität herauszufinden. Jedenfalls ist es entscheidend, dass in Forschung für neue Impfstrategien investiert wird.
Die Pilzambulatorien bieten ab sofort im Rahmen des Ulcusprogramms bei ulcerösen Läsionen im Genitalbereich zusätzliche PCR-Untersuchungen für den Nachweis folgender Erreger an:
- Treponema pallidum
- LGV
- Hämophilus dycrei
Darüber hinaus bieten die Pilzambulatorien den Nachweis von Varicella Zoster Virus mittels PCR als Differenzialdiagnose zum Herpes Simplex an.
Bei Fragen oder Anregungen zu den ausgeführten Themen lade ich Sie zu einer Kontaktaufnahme unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! ein.
Mit kollegialen Grüßen
Univ.-Prof. Dr. Angelika Stary