Lange Nacht der Pilzambulatorien 2023

Sehr geehrte Frau Kollegin,
sehr geehrter Herr Kollege!

Am 10. November 2023 fand im Lusthaus das zweite Mal die "Lange Nacht der Pilzambulatorien" statt.
Drei hervorragende Vorträge wurden von Prof. Dr. Stephan Lautenschlager aus Zürich, Dr. Johanna Strobl aus Wien und Doz. Dr. Birgit Sadoghi aus Graz präsentiert. Willi Brenner (Klavier) und Kurt Schmid (Saxophon) lockerten das wissenschaftliche Programm mit beschwingter Musik von George Gershwin auf.

Wir möchten Ihnen in einer gekürzten Übersicht die wichtigsten Inhalte der Vorträge der "Langen Nacht der Pilzambulatorien" 2023 in diesem Newsletter zusammenfassen:

Keynote lecture
Syphilis: Ein persistierendes Dilemma
Stephan Lautenschlager, Zürich

Immunbiologie der Spirochäten: Wege zur Impfung?
Johanna Strobl, Georg Stary, Wien

Behandlung der genitalen Candidiasis: wen, wie, wann?
Birgit Sadoghi, Graz

 

Syphilis: Ein persistierendes Dilemma

Prof. Dr.med. Stephan Lautenschlager
FA für Dermatologie und Venerologie, Zürich
(Modifizierte Zusammenfassung des Vortrags).

1. Klinische Problematik der Syphilis-Diagnostik:

Nach einer durchschnittlichen Inkubationszeit von 3 Wochen (9-90 Tage) kommt es zu einem schmerzlosen und derben Ulkus am Ort des Erregereintritts mit schmerzlosen lokalen Lymphknotenschwellungen (Bild 1, 2). Selten sieht man das Bild der syphilitischen Balanitis Follmann (Bild 3). Eine eindeutige klinische Diagnose im Stadium I ist infolge der grossen klinischen Variabilität mehrheitlich nicht zuverlässig. Die Syphilis wird nur bei ungefähr einem Drittel der Patienten im Primärstadium diagnostiziert. Ein klinisches Dilemma sind rektale oder zervikale Ulzera; atypische multiple oder weiche Ulzera, fehlende Ulzera, extragenitale und anale Läsionen mit knotigen Indurationen - teilweise vergesellschaftet mit Fissuren - , die nur schwer gegenüber Hämorrhoiden, Analfissuren oder neoplastischen Veränderungen abzugrenzen sind. Extragenitale Primäraffekte können prinzipiell an jeder mukokutanen Lokalisation auftreten. Differentialdiagnostisch sind eine Tularämie, eine Katzenkratzkrankheit, Sporotrichose, Mykobakteriose, Leishmaniose, staphylokokken-bedingte Lymphangitis sowie granulomatöse Erkrankungen und Neoplasien in Betracht zu ziehen. Generell sollte jedes indurierte Ulkus, das mit regionärer Lymphknotenschwellung einhergeht, an eine Syphilis denken lassen.
Die sprichwörtliche Problematik im Stadium II betrifft die vielgestaltigen Exantheme und die unterschiedlich ausgeprägten Begleitsymptome (u.a. Polylymphadenopathie, Begleit-Hepatitis, Periostitis, Gastritis, ZNS-Manifestationen, Iritis, Uveitis, Glomerulonephritis) (Bild 4).

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2. Labormedizinische Problematik der Syphilis-Diagnostik:

Erreger-Nachweis:
Da der kulturelle Nachweis von Treponema pallidum in vitro nicht möglich ist, beruht die Diagnostik der Syphilis einerseits auf dem direkten Erregernachweis und andererseits auf den charakteristischen Seroreaktionen. Da das Ulkusstadium 7 Tage bis 3 Wochen vor einer serologischen Antwort bestehen kann, kommt dem Erregernachweis in dieser Krankheitsphase grosse Bedeutung zu. Ein sofortiges Resultat liefert die Dunkelfeld-Untersuchung der korkenzieherartig anmutenden Organismen anhand ihrer charakteristischen Bewegungen (Knickbewegungen und Rotationen um die eigene Achse). Die Sensitivität des Dunkelfeldes erreicht bei geübten Untersuchern gegen 80%. Da ungefähr 105 Organismen pro ml zur Visualisierung notwendig sind, schliesst eine negative Dunkelfelduntersuchung eine Syphilis nicht aus. Falsch negative Resultate sind meist die Folge einer Anwendung topischer oder systemischer Antibiotika. Andererseits können nicht pathogene kommensale Spirochäten z.B. der oralen Flora auch für sehr erfahrene Untersucher große Schwierigkeiten bei der Abgrenzung gegenüber Treponema pallidum bieten.
Alternativ kann der Nachweis treponemaler DNS mit der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) erfolgen, wird allerdings selten durchgeführt. Das Resultat benötigt 1-3 Tage Wartezeit.

Serologie:

a) Unspezifische (nicht-treponemale) Reaktionen:
1-3 Wochen nach Auftreten des Primäraffekts können IgM- und IgG-Antikörper gegen Kardiolipin (neben Lezithin und Cholesterin) mittels VDRL (Venereal Disease Research Laboratory) und RPR (Rapid Plasma Reagin) nachgewiesen werden. Diese unspezifischen Tests sind schnell und kostengünstig durchführbar und ermöglichen auch ein erfolgreiches Therapieansprechen zu bewerten. Ein Titerabfall um das 4-fache nach 6 Monaten korreliert mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Therapie. Zur Bestimmung eines Titerverlaufs sollte immer der gleiche Test im gleichen Labor bestimmt werden.
Die Sensitivität der unspezifischen Tests unterscheidet sich je nach Stadium der Syphilis. 4 bis 8 Wochen nach Akquisition der Infektion werden die Tests positiv (Sensitivität von 60-87%). Die Sensitivität erreicht nahezu 100% bei einer sekundären Syphilis infolge des hohen Antikörper-Titers. Mit Abnahme der Antikörper bei der Spätsyphilis sinkt die Sensitivität erneut. In bis zu ¼ der Patienten kann sich der VDRL-Test sogar bei ausbleibender Therapie bei einer Spätsyphilis negativieren. Generell korreliert die Zeit bis zur Negativierung mit der Dauer der Syphilis, der Titer-Höhe und dem Schweregrad der Erkrankung. Ein nach adäquater Behandlung persistierend positiver Titer bei immungesunden Patienten ist suggestiv für ein Therapieversagen, eine Reinfektion oder eine biologisch falsch positive Reaktion. Gelegentlich können niedrig-titrige Testresultate (unter 1:16) nach adäquater Therapie gefunden werden. Falsch positive Tests werden mit einer Häufigkeit von 1-20% angegeben. Akute falsch positive Reaktionen können bei Infektionen gefunden werden (u.a. Mononukleose, Varizellen, Masern, Malaria, Bruzellose, Mumps, Lymphogranuloma venereum). Chronisch falsch positive Reaktionen sind häufig mit Autoimmunerkrankungen und chronisch entzündlichen Prozessen assoziiert (u.a. systemischer Lupus erythematodes, Polyarteriitis nodosa, chronische Lebererkrankungen). Ebenfalls können fortgeschrittenes Alter, Schwangerschaft und Drogenkonsum zu falsch positiven Resultaten führen.

b) Spezifische (anti-treponemale) Tests:
Spezifische Antitreponemen-Antikörper können mit dem TPHA (Treponema Pallidum Hemagglutination Assay), TPPA (Treponema Pallidum Particle Agglutination Assay) oder zunehmend auch mit einem Enzym-Immuno-Assay (EIA)-Test nachgewiesen werden. Diese spezifischen Tests werden v.a. zur Bestätigung eines positiven unspezifischen Tests sowie auch für ein Screening verwendet.
Spezifische Antitreponemen-Antikörper korrelieren nicht mit der Krankheitsaktivität und bleiben trotz adäquater Therapie meist lebenslang nachweisbar. Alle antitreponemalen Reaktionen differenzieren nicht zwischen den nicht-venerischen Treponematosen (Pinta, Yaws, Frambösie, Bejel) und der Lues, was bei Patienten aus Entwicklungsländern immer wieder zu Schwierigkeiten bei der Interpretation positiver Tests führt.

c) Beurteilung des Krankheitsstadiums:
Ein quantitativer unspezifischer Test (VDRL) und ein Test für spezifische IgM-Antitreponemen-Antikörper ist hilfreich bei der Beurteilung des Krankheitsstadiums und stellt die Basis zur Überwachung der Therapieeffekte dar. Generell sind IgM bis zu 3-9 Monate nach adäquater Behandlung noch nachweisbar, gelegentlich persistieren sie jedoch 12-18 Monate nach Behandlung einer Spätsyphilis. Der Nachweis spezifischer IgM-Antikörper, bei Patienten ohne kürzlich durchgeführte Behandlung, ist hinweisend für eine aktive therapiebedürftige Infektion.

3. Empfehlungen für die Praxis

  1. Denken Sie bei jedem unklaren Exanthem und jeder Ulzeration mit Lymphknotenschwellung an die Möglichkeit einer Syphilis und veranlassen Sie eine entsprechende Untersuchung.
  2. Seronegative Patienten mit Verdacht auf eine Syphilis erfordern eine erneute Kontrolle nach 2-3 Wochen infolge des seronegativen Fensters während einer frühen primären Syphilis.
  3. Als Screening-Test hat sich in Europa der TPHA/TPPA, eventuell gleich in Kombination mit dem VDRL etabliert. Alternativ kann ein Treponemen-EIA verwendet werden. Positive Screening-Tests bedürfen eines spezifischen Bestätigungstests.
  4. Bei nachgewiesener Infektion sollte eine komplette serologische Untersuchung erfolgen und der Therapieerfolg bestimmt werden.
  5. Zur Bestimmung eines Titerverlaufs sollte immer der gleiche Test im gleichen Labor verwendet werden.

 

Immunbiologie der Spirochäten: Wege zur Impfung?

Dr. Johanna Strobl
FA für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Universität Wien

Gramnegative Bakterien der Gattung Spirochaetae rufen häufige Infektionserkrankungen im Menschen hervor, die aktuell aus unterschiedlichen Gründen steigende Inzidenzen aufweisen.

Infektionen mit Spirochäten lösen keine natürliche Immunität aus, und es kann bei erneuter Exposition zu Re-Infektionen kommen. Ursächlich hierfür sind unter anderem bakterienspezifische Mechanismen zur Immun-Evasion in humanen Geweben.

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Zu den weltweit verbreitetsten humanpathogenen Spirochätosen gehören die Lyme Borreliose und die Syphilis. Bemühungen zur Aufklärung der grundlegenden immunbiologischen Aspekte der Syphilis, die für eine Impfstoffentwicklung unerlässlich sind, wurden maßgeblich dadurch behindert, dass der Erreger Treponema pallidum nicht in vitro kultivierbar war und keine einfach verfügbaren Tiermodelle existieren. Infolgedessen bleiben viele Fragen zu den biologischen Eigenschaften der Spirochäten unbeantwortet – vor allem, warum T. pallidum über längere Zeiträume im Gewebe persistieren kann, obwohl die Infektion von deutlichen zellulären und humoralen Immunreaktionen begleitet wird. Ähnlich verhält sich B. burgdorferi, der Erreger der Lyme Borreliose, für den im Gegensatz in vitro Systeme etabliert sind und ein Impfstoff aktuell in einer Phase III-Studie untersucht wird. Die Betrachtung von Parallelen in der Immunbiologie dieser beiden Spirochätenarten könnte Fortschritte in der präklinischen Syphilis-Impfstoffforschung bewirken.

 

Behandlung der genitalen Candidiasis: wen, wie, wann?

Univ. Doz. Dr. Birgit Sadoghi
FA für Dermatologie, Medizinische Universität Graz

Take Home Message:
70-75% der Frauen leiden 1x in ihrem Leben an einer vulvo-vaginalen Candidose (VVC)
95% der Fälle Candida albicans Auslöser, seltenst non-Candida Arten

Diagnostik:
Anamnese/ Klinik (prämenstruelles, vestibuläres Jucken/Brennen, Fluor) +Abstrich (Nativdiagnostik!! Pilzkultur)
Nur Ausbildung von Pseudohyphen beweist Infektion!
Kultur empfohlen bei unklarem mikroskop.Befund, zur Artbestimmung, bei chron.rezidiv. Vulvo-Vaginalcandidose

Risikofaktoren:
Östrogen, SS, Diabetes, Antibiotika, Oralverkehr, Immunsuppression, genetische Prädisposition

Therapie:
topische +vaginale Antimykotika (alle gut wirksam); Clotrimazol ist und bleibt Therapie Nummer 1;
bei massiver Manifestation oder Immunsuppression orale Antimykotika;
keine Therapie bei asymptomatischem Verlauf (außer chronische RVVC od. Immunsuppression),
keine Behandlung eines asymptomatischen Sexualpartners
(siehe auch Therapieleitlinien der OEGSTD unter www.oegstd.at)

chronische RVVC:
bei mehr als 4 Rezidiven/a; Resistenztestung ideal; orale antimykotische
Langzeittherapie mit Fluconazol für 6-12 Monate,2 Schemata existieren

Schwangerschaft:
lokale Therapie mit Clotrimazol; wichtig im 1. Trimenon; und bei asymptomatischer Kolonisation:
prophylaktische, topische Therapie am Ende der SS (ab 34. SSW, Dauer 7 d um Windeldermatitis/Mundsoor vorzubeugen)

 

Bei Fragen oder Anregungen zu den ausgeführten Themen lade ich Sie zu einer Kontaktaufnahme unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! ein.

Wir hoffen, Sie hatten ein gutes Jahr 2023 und danken für die Zusammenarbeit.
Die Mitarbeiterinnen und die Leitung der Pilzambulatorien wünschen Ihnen ein schönes Weihnachtsfest und ein glückliches und gesundes Jahr 2024!

Mit kollegialen Grüßen

Univ.-Prof. Dr. Angelika Stary
sowie das Team der Pilzambulatorien